NEUMARKT/Oberpflaz
Gründung: 1879/80 – Fläche: 940 qm
Zu den wenigen in der Oberpfalz liegenden jüdischen Friedhöfen zählt der kleine Gute Ort in Neumarkt. In der Stadt gelegen, d.h. von Wohn- und Gewerbegebieten umgeben, beeindruckt seine Schlichtheit und Ruhe. Zur Straße hin ein kleines Taharahaus, das heute vom Pfleger bewohnt wird, des weiteren eine stabile Einfriedungsmauer schützen die links und rechts von einem Weg liegenden zwei Grabfelder mit ca. 100 Gräber.
Eine Gedenktafel am Taharahaus angebracht lautet: „Friedhof der ehemaligen israelitischen Kultusgemeinde, angelegt 1879/80“. Bekannt war eine jüdische Siedlung in Neumarkt schon in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Doch auch diese Kehille musste unter den Pogromen des Röttinger „Edelmannes“ Rindfleisch schrecklich leiden. Anfang des 14. Jahrhunderts wurden Juden erneut vertrieben oder von der 1349 auftretenden Pest dahingerafft.
Trotz allem siedelten im Jahre 1362 erneut Juden in Neumarkt. Vom Kurfürst Pfalzgraf Ruprecht erhielten sie die einst konfiszierte Synagoge zurück. Doch Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die am Ort ansässigen Juden ein weiteres Mal vertrieben. Viele fanden jedoch Asyl im nahegelegenen Sulzbürg. Obwohl vertrieben, durften die jüdischen Händler weiterhin ihren Markthandel in Neumarkt betreiben, und einige wenige erhielten ein erneutes Wohnrecht für eine längere Zeit. Mitte des 18. Jahrhunderts beklagte sich der Neumarkter Stadtrat bei den Autoritäten, dass wegen der hohen Besteuerung immer weniger Juden auf die Märkte kämen und so Neumarkt Schaden zugefügt wird. Daraufhin wurden etliche, der den Juden auferlegten Steuern storniert. Während der Zeit der Emanzipation kamen viele Juden aus Sulzbürg nach Neumarkt. Sie gründeten 1862 eine neue jüdische Gemeinde, die dem Rabbinat Sulzbürg angeschlossen war.
Dort wurden auch ihre Verstorbenen beerdigt, bis im Jahre 1869 ein eigener Beth Olam angelegt wurde. Im Jahre 1868 wurde eine Synagoge und Mikwe gebaut. Im Synagogengebäude wurde eine jüdische Grundschule eingerichtet, die bis 1933 existierte. Einer der aus Sulzbürg zugewanderten Juden war Joseph Goldschmidt, Sohn eines Glasers in Sulzbürg. Er begann in Neumarkt mit dem Handel von Glaswaren und Steingut.
In den Folgejahren gründete er weitere Betriebe in verschiedenen Branchen. Sein größter Erfolg war 1882 die Gründung einer Fahrradfabrik, die erste auf deutschem Boden, ja auf dem europäischen Kontinent, wie die Werbung immer wieder stolz hervorhob. Joseph Goldschmidt sel.A. verstarb 1896. Daraufhin wurde das Unternehmen in eine AG umgewandelt, in die „Express-Fahrradwerke A.G. vorm. Gebr. Goldschmidt“1) 1895 wurde der Distrikt-Rabbi Magnus Weinberg (1867-1943) Rabbiner in Neumarkt. Er widmete sich neben seiner Rabbinertätigkeit auch der Erforschung der Geschichte der bayerischen Juden. In den Folgejahren hinterließ der 1. Weltkrieg seine bitteren Spuren auch in der Kehille Neumarkt. Am 6. April 1919 wurde in der Synagoge (diese wurde 1945 zerstört) durch Rabbiner Weinberg eine Gedenktafel für die elf Kriegstoten der Kultusgemeinde enthüllt.2) 1923 wurde das Bezirksrabbinat von Sulzbürg nach Neumarkt verlegt und weitere acht Jahre später mit dem in Regensburg vereinigt.
Zu diesem Zeitpunkt, die Gemeinde hatte 105 Mitglieder, siedelte auch der Rabbiner nach Regensburg um. 1933 waren in der Gemeinde Neumarkt zwei Chewrot Kaddischa tätig, eine Filiale des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und einige Wohlfahrtsstiftungen. Lehrer und Kantor der Kehille war Jakob Nussbaum. Der ehrenamtlich für die Gemeinde tätige Kommerzienrat Arnold Dreichlinger bekam 1935 vom Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden (VBIG) den Auftrag, die in Not geratenen Kleingemeinden zu betreuen. Dem jüdischen Kulturbund schloß sich die Kehille im Jahre 1935 in Nürnberg an und beteiligte sich an kulturellen Veranstaltungen der Gemeinde Regensburg. Die letzte Lewajia auf dem Guten Ort in Neumarkt war im September 1950. Die Justizratswitwe Emilie Hacker sel.A. fand dort ihre letzte Ruhestätte.
Zum Gedenken an die Juden Neumarkts, die während des Naziterrors ermordet wurden, steht unweit der einstigen Synagoge ein großer Gedenkstein, der im Jahre 1995 vom Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und der Stadt Neumarkt dort aufgestellt wurde.
1) Der Landesverband der IKG in Bayern, Nr. 19
2) I.Schwierz: Für das Vaterland starben, E K-B Verlag