MELLRICHSTADT/Unterfranken

Gründung: 1869 – Fläche: 3590 qm

Am südlichen Rand von Mellrichstadt, neben einer Bundeswehrkaserne, liegt an einem kleinen Hang der Gute Ort der bis zum Jahr 1942 existierenden jüdischen Gemeinde. Das schmiedeeiserne Haupt-Eingangstor, begrenzt von zwei größeren Steinpfeilern, befindet sich auf der Westseite; ein zweiter Eingang ist in ca. der Mitte des Areals an der Nordseite nachträglich erstellt worden. Einst war die Einfriedung aus Holzlatten, heute zieht sich ein Maschenzaun rundherum. Rechts vom Haupteingang befinden sich viele Kindergräber, dahinter folgen die Reihen mit den Erwachsenengräbern. An den Mazzewot lassen sich Spuren von Verwitterung und auch von Verwüstungen erkennen. Angelegt wurde der „alte Teil“ des Beth Olam am 13. November 1869. Juden siedelten jedoch bereits im 13. Jahrhundert in der Stadt. Sie litten wie so viele Juden in Süddeutschland unter dem „Rindfleischpogrom“ im Jahre 1298. Anfang des 15. Jahrhunderts erhielten vier jüdische Familien einen Schutzbrief des Bischofs von Würzburg, der ihnen erlaubte, in Mellrichstadt zu siedeln. Zwanzig Gulden mussten die Juden jährlich an den Bischof zahlen.

Die Anzahl der jüdischen Familien war aufgrund dieser Schutzbriefe auch im 17. Jahrhundert nicht größer geworden. Das erste Viertel des 19. Jahrhunderts brachte eine Vergrößerung der Kehille durch den Zuzug von Juden aus Willmers und Nordheim. Bevor man sich einen eigenen Friedhof anlegte, mussten die Verstorbenen auf dem Bezirksfriedhof in Kleinbardorf bestattet werden. Die um 1849 erbaute Synagoge wurde im Jahre 1875 renoviert.1)
Die Fürsorgearbeit in der Gemeinde wurde von einer Chewra Kaddischa (je für Männer und Frauen) durchgeführt, der Gemeindelehrer war zugleich der Kantor. Ab 1922 war Guide Prager Vorsitzender der Kehille. Als engagierter Vertreter jüdischer Interessen hat er sich in ganz Bayern einen Namen gemacht. Eine notwendig gewordene Erweiterung des Beth Olam wurde von Guido Prager exakt festgehalten. Er schrieb: „Es war durch Anwachsen der Gemeinde in den letzten zwei Jahrzehnten vorauszusehen, dass der Raum im seitherigen Friedhof ziemlich begrenzt werden wird, weshalb sich die Kultus-Verwaltung im Herbst 1921 entschlossen hat, der Erweiterung des Friedhofs näher zu treten.

Friedhof Mellrichstadt-Sturmschaden vom Juni 1997.

Das auf der Ostseite des seitherigen Friedhofes gelegene und zu diesen gehörende Ackerland, das bis jetzt verpachtet war, war dadurch, dass man ursprünglich die ersten drei Reihen im Friedhof ohne Zwischenweg mit Gräbern durchbelegte, nicht zugängig, ein Durchtragen von Särgen war unmöglich. Ein Zufahrtsweg zum Ackerland, also zum neuen Friedhofsteil, war nicht vorhanden. Deshalb musste der nördlich gelegene, in gleicher Länge des alten Friedhofes nur Ackerland laufende Feldstreifen zum Friedhof hinzu gekauft werden. Dieser Streifen war Frau Wittwe Emilie Schreiner gehörig, konnte jedoch wegen deren Bevormundung nicht käuflich, sondern nur im Tauschweg erworben werden. Zu diesem Zwecke kaufte die Kultus-Verwaltung von Fräulein Johanna Mantel, Tochter des verstorbenen Herz Mantel (1.Grab No.29) ein gleichwertiges Feldstück und nahm alsdann unter Mitwirkung beim hiesigen Notariat den Tausch mit der Wittwe Schreiner vor.

Im Frühjahr 1922 wurde sodann die Vergrößerung ernstlich in Angriff genommen, nachdem durch den Geometer von Neustadt a. S. die Grenzen durch setzen von Grenzsteinen festgelegt worden sind. Die Stadtverwaltung gewährte aus Paritäts-Gründen die kostenlose Lieferung der zur Umzäunung benötigten Hölzer; Die Umzäumung wurde durch den Zimmermeister Eugen Werner von der „Aumühle“ fertiggestellt, unter Freilassung eines freien Raumes von zwei Meter an der Ostseite, für die angrenzenden Grundstücksbesitzer. Der links vom seitherigen Friedhof befindliche Teil des Streifens wurde nicht mit den Holz-Zaun umgeben, vielmehr wurde es als Anfahrtsweg offen gelassen. Nach Fertigung des Holzzaunes wurde mit der Anpflanzung des lebenden (Fichten-) Zaunes, der Birkenstämme und sonstiger Sträucher im Innern des Raumes begonnen, die Einteilung der Vergrößerung in einer großen Rechtecke, außerdem das Ausführen der Wege durch und um den Friedhof wurde vorgenommen. Hierzu stellte das Bezirks-Amt Mellrichstadt auf Bitten der Kultusverwaltung den Bezirksgartenmeister Georg Polster kostenlos zur Verfügung.
Die Kosten für den Ackerstreifen wurden durch Spenden in der Synagoge beim Aufrufen zur Tora gedeckt, die übrigen Ausgaben für Anpflanzung, Holzbearbeitung und Arbeitslöhne wurden durch Aufnahme von Darlehen innerhalb der Kultusgemeinde-Angehörigen auf Schuldschein aufgebracht. Durch den rapiden Sturz der Mark (Inflation) wurden alsdann die gesamten Schuldscheine im Jahre 1923 für nichtig erklärt. Die Einzelheiten über die Vergrößerung des Friedhofes, bzw. Daten der …. sind in den Protokollbüchern der Deputierten und der Gemeinde ersichtlich“. Im Frühjahr 1938 wanderte Guido Prager aus. Auf dem Platz der ehemaligen Synagoge steht heute ein neu errichtetes Haus. Eine Tafel wurde angebracht und erinnert an die jüdischen Bürger. Der Friedhof wurde heuer von einem Sturm stark in Mitleidenschaft gezogen. Wie durch ein Wunder fielen die bis zu zwanzig Meter hohen Bäume hauptsächlich zwischen die Grabreihen (siehe Bild) und verschonten dadurch eine Vielzahl von Mazzewot.

1) „Allgemeine“ Nr. 47