ICHENHAUSEN/Schwaben
Gründung: 1568 – Fläche: 10259 qm
Einige hundert Meter von der Ortschaft entfernt, unweit der Straße nach Krumbach, liegt der verwaiste Gute Ort. Über einen Feldweg gelangt man zum ersten von zwei Toren aus Eisenstäben. Auf ca. 20 bis 25 Meter Länge besteht eine Mauereinfriedung, die nach dem zweiten Eingangstor (dem Haupteingang) in eine Zauneinfriedung übergeht. Das Friedhofsareal von ca. 235 m Länge und ca. 45 m Breite kann man in vier Teile ordnen: a) Die sog. Predigerhalle steht auf dem Gelände links vom Haupteingang bzw. rechts vom Nebeneingang, b) es folgt östlich der neuere Teil des Beth Olam mit zusammenhängenden, linear angelegten Grabreihen (Belegung erfolgte ab Ende des 19. Jahrhunderts), c) den ältesten Friedhofsteil, ungefähr in der Mitte des Areals, mit einem Eichenbestand, der aus der Zeit der Eröffnung stammen dürfte.
Einige Mazzewot enthalten Daten aus dem 18. Jahrhundert,1) und d) dem alten Teil (Belegung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts). Mitte des 16. Jahrhunderts haben Juden, wenigstens zeitweise, in Ichenhausen gelebt. Bekannt ist, dass der aus Prag kommende Drucker Chaijm ben David Schwarz hier lebte. Er war vorher auch ein Jahrzehnt lang in Augsburg tätig und publizierte viele hebräische Bücher. 1544 druckte er in Ichenhausen die fünf Bücher Moses, die Megillot und das Gebetbuch „ (……….)“ von Josef Sohn des Jekir in der aschkenasischen Übersetzung „(………..)“. Unter den damaligen Herrschern, den Brüdern Hans Wolfhart und Friedrich von Roth, durften Juden auch aus Neuburg, Günzburg und Thannhausen in Ichenhausen leben, dies natürlich nur, wenn ein großes Schutzgeld bezahlt wurde. 1574 waren im Ort sechzehn jüdische Familien ansässig. Neben den hohen Schutzgeldern waren auch andere Erschwernisse zu erdulden.
So durften sich die Juden innerhalb der Ortschaft nicht frei bewegen und wohnten nur im Getto „Judenstraße“. Unter König Mathias erhielten die Juden in Ichenhausen im Jahre 1618 einen neuen Schutzbrief, der zugleich mit Erleichterungen verbunden war. Mitte des 17. Jahrhunderts verfügte die Kehille neben dem Friedhof auch über eine Mikwe und eine Talmud-Tore-Schule für die Kinder. (…..) (Schaliach Zibur) Rabbi Jacov lehrte hier seit 1687. Gebetet wurde in einem Haus, das die Kehille im Jahre 1687 erwarb. Ichenhausen gehörte der Augsburgischen Markgrafschaft Burgau an.
Oft wechselte die Herrschaft. Eine Abmachung der Herrschaft bezüglich der Abgabenpflicht der Juden ist im „Burgauer Rezeß“ festgeschrieben worden.2) Die Abmachung beschränkte die Zahl der jüdischen Häuser bei 35 und regelte die Bewegungs- und Handelsrechte der Juden. Im Jahre 1730 war die Jüdische Gemeinde auf 700 Mitglieder angewachsen und erreichte um 1820 ihren Höhepunkt mit etwa 1100 Mitgliedern, was nahezu 45% der Bevölkerung ausmachte.3) 1833 baute die Kehille eine jüdische Volksschule.
Hier lehrten am Höhepunkt dieser Einrichtung im Jahre 1857 vier Lehrkräfte 210 Schüler. Anstelle des im Jahre 1687 erworbenen Hauses baute die Kehille 1781 eine große Synagoge mit einem dreigeschossigen Anbau für einen Schulraum und der Rabbinerwohnung. 1792 war Ichenhausen Sitz des Bezirksrabbinats. Unter dessen Obhut waren die Gemeinden Buttenwiesen, Hürben und Binswangen. Von 1862 bis 1873 amtierte als Bezirksrabbiner Rav Eliäser Löb. Er verließ Ichenhausen als er zum Rabbanut der (………..) heiligen Gemeinde Altona als (……………) (Vorsitzender des Gerichts, Rabbiner und Lehrer) berufen wurde. Sein Nachfolger in Ichenhausen war Rav Aaron Cohen, der dieses Amt bis 1920 ausübte. 1894/5 errichtete die Kehille ein repräsentatives Rabbinatsgebäude (existiert etwas verändert heute noch). 1897 gründete Rav Cohen sel.A. einen Pensionsfonds für die bayerischen Rabbiner.
Die Ichenhausener Juden waren auch wirtschaftlich sehr erfolgreich. So ist es ihrem Pioniergeist zu verdanken, dass sich Anfang des 20. Jahrhunderts dort eine Industrie zur Herstellung von Männerbekleidung entwickelte. Bis zu einhundert Schneider wurden in den Konfektionsfabriken beschäftigt. In der Kehille gab es auch sehr viele soziale Institutionen: Eine Zweigstelle der Zentralwohlfahrtsstelle, Chewra Kaddischa (von 1735) für Männer und Frauen, Krankenfürsorgeverein Bikkur Cholim (von 1880), Verein Ez Chajim (= Verteilung von Brennholz an Bedürftige), die bereits oben erwähnte Talmud-Tora-Schule sowie ein Altersheim (gegründet 1919). Desweiteren betätigten sich dort Filialen des KKL, des Sportbundes Makkabi und des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.
Nachdem auf dem Beth Olam für die Tahara nur eine kleine Holzhütte (an der Westseite des ältesten Teils) zur Verfügung stand, gelang es (lt. dem Zeitzeugen M. Schmidt) der Kehille, noch im Jahre 1934!!! eine Genehmigung zum Bau der sog. Predigerhalle am Guten Ort zu erhalten. Es entstand ein sehr schöner Rundbau mit hölzernem Vordach. Auf der Westseite dieses Hauses wurde noch ein kleiner Anbau mit separatem Eingang erstellt. Hier wurde die Tahara durchgeführt.
1) M.Schmidt, stellv. Vorsitzender des Stiftungsvorstandes „Stiftung ehemalige Synagoge Ichenhausen“
2) (…………)
3) Haus der Begegnung, Ichenhausen