FISCHACH/Schwaben
Gründung: 1744 – Fläche: 1960 qm
Eine Allee von großen Kastanien- und Birkenbäumen führt direkt vor das zweiflügelige eiserne Eingangstor des jüdischen Friedhofs in Fischach. Umgeben ist der am südlichen Ortsrand gelegene Beth Olam mit einer massiven Steinmauer. Gegenüber dem Eingang, steht ein hölzernes, mit Ziegeln gedecktes Taharahaus. In den darin vorhandenen zwei Räumen steht auf der einen Seite noch der Leichenwagen (hölzerne Kutsche) und auf der anderen Seite hängen Gedenktafeln (sie stammen aus der früheren Synagoge von Fischach, die von der IRSO verkauft wurde) der jüdischen Kriegsteilnehmer von 1914/18. Links vom Taharahaus, d.h. im vorderen Teil des Friedhofs, steht ein Gedenkstein mit der Inschrift: „Den Opfern der Rassenverfolgung geweiht 1933-1945. Den Toten zum Gedenken, den Lebenden zur Mahnung“.
Ebenfalls auf dieser freien Rasenfläche befindet sich ein tiefer –abgedeckter- Brunnenschacht. Es folgt das Gräberfeld mit den in Reihen geordneten Mazzewot, wobei die linke Seite des Guten Ortes am dichtesten belegt ist. Eine Besonderheit sind zwei Grabtafeln aus Eichenholz von Josef Mosche Halevi sel.A. (gestorben 1815) und seiner Frau Breindl sel.A. (gestorben 1833). Bereits im ausgehenden 16. Jahrhunderts siedelten sich Juden in Fischach an. Dies war möglich, da die Habsburger Gebiete eine Ansiedlung für Juden noch ermöglichten. Von Augsburg kommend ließen sie sich in der Markgrafschaft Burgau nieder. Ihre Verstorbenen wurden zu dieser Zeit in Burgau beerdigt, Anfang des 18. Jahrhunderts auf dem Guten Ort in Kriegshaber und ab 1744 in Fischach. 1739 baute die Kehille eine erste Synagoge.
Eine von der „Landjudenschaft Schwaben-Burgau“ einberufene Versammlung in Fischach zeigte, wie wichtig und engagiert die jüdische Gemeinde Fischach zu dieser Zeit bereits war. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine neue (auf dem Platz der alten) Synagoge erbaut. Renoviert im Jahre 1900 und 1934 steht das Gebäude heute noch und befindet sich in Privatbesitz. Als Rabbiner betreute die Kehille während den Jahren 1856 bis 1882 Rav Schimon Simcha Bamberger. Er verfasste unter anderem die Bücher „Freudige Tore“, „Arbeit der Leviim“ und „Erziehung der Jugend“. Zu dieser Zeit (1853-1875) war auch Rabbiner Mayer Weiskopf in Fischach tätig. Da er keine Anstellung als Rabbiner hatte, übte er vielerlei Aufgaben in der Gemeinde aus, um seine neunköpfige Familie ernähren zu können. So war er zugleich Chasan, Mohel, Schochet, Schammes, Mazzebäcker etc.1) Die Kehille verfügte neben der oben erwähnten Synagoge und dem Friedhof über ein Gemeindehaus, in dem die Schule untergebracht war, eine Mikwe, Chewra Kaddischa für Männer und ab 1860 für Frauen und viele verschiedene Einrichtungen wie Jüdischer Jugendverein, Büro von Keren Kajemet und CV (Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens), zionistische Organisation und Wohltätigkeitsgesellschaften.
Neben dem aktiven Kehilleleben engagierten sich die Fischacher Juden in vielen Vereinen des Marktes, in der Freiwilligen Feuerwehr und im Gemeinderat. Es gab sogar eine zweiten jüdischen Bürgermeiser.2) Anfang des 20. Jahrhunderts waren knapp ein Drittel des Marktes Juden. Obwohl Anzeichen des nahenden Unglücks auch an Fischbach nicht vorbeigingen – der Beth Olam wurde bereits 1928 zwei Mal, 1932 und 1935 geschändet – verließen verhältnismäßig wenig Juden Fischach. 1942 wurden alle noch am Ort lebenden Juden in die Vernichtungslager der Nazis deportiert. Die letzte Lewaja auf dem Fischbacher Beth Olam war am 18. 5. 1942.
1+2) G. Römer: Schwäbische Juden