NÖRDLINGEN/Schwaben

Gründung: 1877 – Fläche: 1868 qm

Ein schmaler Grasweg führt auf eine kleine Anhöhe zum verwaisten jüdischen Friedhof Nördlingens. Die rund um den Guten Ort verlaufende Einfriedungsmauer beschützt die etwa 220 Gräber. Den Eingang bildet ein zwischen zwei Steinpfeiler gesetztes zweiflügeliges Eisentor. Links davon stand einst das Taharahaus. Das Haus mit Räumen im Parterre sowie der ausgebaute Dachraum diente auch als Wohnung für den Friedhofspfleger, der diese Arbeit im Jahre 1924 von seinem Vater übernommen hatte und bis zum Jahre 1973 durchführte. 1978 mußte das Taharahaus wegen Verfall abgetragen werden.

Auf dem freien Platz setzte man einen Gedenkstein mit folgender Beschriftung: DEN TOTEN ZUR EHRE UND ZUM EWIGEN GEDENKEN AN DIE JÜDISCHEN BÜRGER AUS NÖRDLINGEN UND UMGEBUNG, DIE IN DEN VERFOLGUNGSJAHREN 1933-1945 GRAUSAM UMGEKOMMEN SIND. UNS LEBENDEN ZUR MAHNUNG, DEN KOMMENDEN GESCHLECHTERN ZUR EINDRINGLICHEN LEHRE. ERRICHTET IM JAHRE 1979 VOM LANDESVERBAND DER ISRAELTISCHEN KULTUSGEMEINDEN IN BAYERN. Bereits im 12. Jahrhundert waren Juden in Nördlingen. Diese historische Gemeinde wurde im Jahre 1290 von den nichtjüdischen Einwohnern zerstört. Ausschlaggebend war hierfür die wirtschaftliche Konkurrenz. Acht Jahre später kamen die wenigen noch in Nördlingen lebenden Juden während des Rindfleisch-Pogroms um. Anfang des 14. Jahrhunderts siedelten erneut Juden vor Ort, d.h. sie lebten neben dem Stadttor, bevor sie 1327 innerhalb der Stadtmauern ein Getto bewohnten, das „Judengesslein“.
Die Kehilla besaß eine Synagoge und einen Friedhof (Gründung unbekannt). Ein mit vier jüdischen Ehrenbürgern besetztes Gericht – für Juden – war 1531 während der Herrschaft von Ludwig dem Bayern gegründet. Die Zeit der Pest bedeutete die Zerstörung dieser Gemeinde. Viele Juden wurden ermordet oder inhaftiert. Das gesamte jüdische Vermögen fiel dem Adelshaus Oettingen zu. Der Beth Olam wurde beschlagnahmt und überbaut. In den Jahren 1584, 1507 und 1651 wurden die Juden von den Einwohnern der Stadt erneut vertrieben oder ermordet. Im 15.Jahrhundert, einem Zeitabschnitt, der es den Juden erlaubte, in der Stadt zu wohnen und zu arbeiten, wurde ein Bezirksfriedhof angelegt, den die Gemeinden Oettingen, Gunzenhausen, Hainsfarth und Feuchtwangen nutzten.

Gedenkstein für die jüdischen Gefallenen des 1. Weltkrieges am Friedhof Nördlingen

Zu dieser Zeit fungierten in der Kehilla die Rabbiner Jacov von Ulm, Jacov und Josef. Die Gemeinde leitete Aaron von Neresheim (1449-89). Nach der Vertreibung im Jahr 1507 durften Juden nur zurückkehren, wenn sie eine Steuer zahlten, das sog. „Geleitgeld“. Erst im Jahre 1860 bekam ein Jude – Eduard Höchstätter – die Genehmigung, seinen permanenten Wohnsitz in Nördlingen einzurichten. Bis zum Jahre 1867 waren es 61 Seelen. Drei Jahre später gründeten sie eine neue Kehilla. 1876 verfügten sie über einen eigenen Friedhof (bis dahin wurden die Verstorbenen in Deggingen beerdigt); eine Betstube wurde 1886 durch den Neubau einer Synagoge ersetzt. Weiterhin verfügte die Kehilla über eine Chewra Kaddischa (seit 1898) für Männer und Frauen und einen Hilfsfonds (………) und einen jüdischen Jugendverein (gegr. 1921). Auch gab es Anfang des 20. Jahrhunderts Büros des KKL (Jüdischer Nationalfonds) und der Zionistischen Vereinigung in Nördlingen.